Hannes Öhm

 

Ghana – weltwärts – 2015/2016

 

John William Montessori School, Kumasi/Tanoso

 

6 Monatsbericht

 

 

 

„Ich habe einen mehr oder weniger geregelten Alltag.“ Diese Aussage kann ich nun schon seit einigen Monaten treffen. Da ich, wie viele Freiwillige, meine Tätigkeiten selber suche und keine oder nur wenige Aufgaben vorgeschlagen oder aufgetragen bekommen habe, musste ich mich erst vor Ort einfinden, um herauszufinden, wo ich mich einbringen kann. Dies führte dazu, dass ich mit verschieden Dingen beschäftigt bin: Die meiste Zeit des Tages verbringe ich in der 2b der John William Montessori-Schule. Was ich dort mache, würde ich als Assistenz beschreiben. Das bedeutet im Detail: Bei den Examen helfen, korrigieren, Schülern individuell helfen und beim Unterrichten aushelfen. Letzteres lässt sich aber am besten in Anwesenheit des Lehrers bewerkstelligen, der die 35 Schüler-Klasse am besten unter Kontrolle hat. Am meisten am Herzen liegt es mir, die Schüler individuell zu fördern. Meiner Ansicht nach kann ich als Freiwilliger an dieser Stelle am meisten erreichen, bzw. „Gutes Tun“. Ich versuche also neben dem Unterricht des Klassenlehrers, der in der Position nur alle Schüler zusammen unterrichten kann, individuell auf Schüler mit Schwächen einzugehen. Beim Unterrichten beschränke ich auf ein geringeres Level. Dies hat mehrere Gründe: Erstens halte ich den Klassenlehrer als besser ausgebildet für den Lehrerberuf als mich. Fachlich, d.h. rein fachtheoretisch halte ich mich zwar fit genug, in den Bereichen der Didaktik innerhalb der zweiten Klasse fehlt mir aber schier die Erfahrung und nötiges Wissen.

 

 Außerdem halte ich es an meiner Stelle auch für vernünftiger es dem Lehrer der Klasse zu überlassen, da er, gerade in der Primary vorteilhaft, Dinge in Twi erklären kann und zudem die Aufgabe der Freiwilligen beim entwicklungspolitischen Freiwilligendienst nicht zum Großteil Lehren sein soll zu können. Die meist für den Job unausgebildeten Freiwilligen sollen schließlich keine ausgebildeten Lehrer ersetzen, sondern nur unterstützen. Es kommt dazu, dass ich mich nicht mit den klassischen Unterrichtsmethoden anfreunden kann. Dazu gehört beispielsweise mehrmaliges lautes Vorlesen des Unterrichtsstoffs, erst von Lehrer- und dann von Schülerseite. Es handelt sich immer um Frontalunterricht und ist vermutlich wegen der Klassengröße auch nicht anders zu handhaben.

 

Ich bin auch stets in der der Bibliothek tätig. Der mit Büchern gefüllte Raum lädt zur Beschäftigung mit Geschriebenem oder gar Lesen ein, wenn nicht doch die meisten Bücher für die Klassen 5 und 6 nicht zu schwer (philosophische und schwierige Romane)oder nicht für die Altersstufe gedacht sind (Ratgeber für Erwachsene,…). Es sind nur sehr wenige für die Schüler geeignete Bücher vorhanden. Trotzdem habe ich am Anfang sehr versucht die Schüler zum Lesen zu bekommen, was auch der Apell von der Schule war. Letztendlich merkte ich aber, dass es nur sehr schwer ist, dies zu verwirklichen. So habe ich nach einer ganzen Weile versucht die Schüler auch noch auf einem anderen Wege zu beschäftigen. Ich starte mit spielerischem Lernen. Dies klappt schon einigermaßen gut und dies möchte ich vielleicht noch mit ein paar Theateraufwärmspielen erweitern.

 

Die Bibliothek ist aber auch ein Ort, an dem ich mit Bright und neuerdings auch anderen Schülern lerne. Der Erstklässler Bright, mit dem ich arbeite, kann zwar immer noch nicht lesen und schreiben, aber er macht einige Fortschritte bei dem Erkennen und Schreiben von Buchstaben. Ich versuche ihm auf verschiedenste Weise das Alphabet beizubringen: Singen, Bilder, mit Hilfe von Buntstifte oder Kreiden, mit Bewegung. Besonders gut lernt er je verrückter ich mich anstelle. Dadurch, dass ich versuche sein eigenes Medium suchen zu lassen, ihn also das machen lasse, was er gerade am liebsten macht, fühle ich ein bisschen einen "Montessori-Geist", der mir, beziehungsweise Bright, hilft. Es ist ein bisschen Montessori für mich innerhalb der Montessori-Schule. Mit Bright lerne ich täglich ein- bis zweimal am Tag. Auch wenn die Erfolge nicht die größten sind, freue ich mich über die kleinen Dinge, die man über mehrere Monate Arbeit erreicht hat. Es gibt Tage, an denen ich am Zweifeln bin und Tage an, den ich überglücklich bin. Das macht möglicherweise ein Stück weit die Arbeit mit Menschen aus. Ich hoffe, mit Bright so viel zu erreichen, wie ich kann, auch wenn ich nur weiß,  dass es sich um einen kleinen Schritt handelt, da ich nur so viel machen kann, wie mir möglich ist. Eine Blockade ist natürlich, dass ich kein Twi sprechen kann. Dies war gerade am Anfang eine Herausforderung. Langsam weiß ich aber, dass man auch viel über Körpersprache herüberbringen und über eine Kombination aus Englisch, Gestik, Mimik, Stift und Papier eine Wirkung erzielen kann.

 

Ein sehr schönes Projekt mit nachhaltigen Charakter ist das Brieffreundschafts-Projekt, das von dem Freiwilligen Joel Wagner 2014 zwischen seinem Adelgrevner-Gymnasium Soest und der John William Montessori School Kumasi/Tanoso gestartet wurde. Auch wenn die Reise der Briefe oftmals sehr lange dauert (zwischen 3 und vier Wochen), freute ich mich schon auf die ersten Briefe. Die Ghanaischen Schüler der Klasse 6b freuten sich sehr besonders über die Briefe der 7a des Adelgrever-Gymnasium. Auch auf der anderen Seite habe ich gleiche Reaktionen übermittelt bekommen. Es freut mich sehr, dieses Projekt am Leben zu halten. Interkultureller Austausch macht Freude und stiftet Frieden und Freundschaft in unsere krisenumwogenen Welt.

 

Insgesamt würde ich also sagen, dass ich Nischen in der Schule für mich gefunden habe, auch wenn ich auf einem Weg der stetigen Entwicklung bin. Ich bin sehr froh meine Arbeit und meine Arbeitsintensität selbst wählen zu können. Die daraus folgende Vielfalt an Tätigkeiten sehe ich als durchweg positiv für mich an, da ich möglichst viele Eindrücke von der Schule bekomme.

 

„Zudem würde ich gerne vermehrt mein Potenzial in Richtung Umwelt- und Naturschutz nutzen.“ Dies schrieb ich bereits in meinem letzten Bericht. Obwohl ich einmal im Schulfach "Natural Science" die Insekten behandelt habe, ist es gar nicht so einfach zu ermöglichen, dass die Schüler während der Schulzeit mit Natur in Berührung kommen, da es schier kein Grün auf dem Schulgelände gibt. Trotzdem möchte ich in nächster Zeit versuchen den Natur- und Umweltschutz stärker zu thematisieren. Möglicherweise bietet sich diese Möglichkeit im Zuge der Brieffreundschaft oder in den Bibliotheksstunden. Insgesamt möchte ich noch möglichst viele Ideen umsetzen, wobei kleine Dinge schon wunderbar sind. Weiterhin möchte ich mich weiter über SODIS bzw. allgemein über die Wassersituation in Ghana informieren und auf eigenen Wege die Flora und Fauna Ghanas erkunden. Um mehr über die Flora Ghanas zu wissen, bin ich seit ein paar Monaten als freiwilliger Fotograf für die Pflanzendatenbank des Forschungsinstituts Senckenberg/ Frankfurt am Main. Durch diese Mitarbeit lerne ich die Pflanzen in meiner Umgebung genauer kennen. An die Datenbank ist nämlich ein Bestimmungsschlüssel angeschlossen, der einen dabei helfen kann Pflanzen zu identifizieren. Im Gegenzug helfe ich ein wenig dabei die Datenlage über die westafrikanischen Pflanzen zu verbessern. Näheres:http://www.westafricanplants.senckenberg.de/root/index.php?submitForm=true&page_id=13&preview=true&searchPageID=4&searchTextMenue=Hannes+%D6hm&search=%26%239658%3B.

 

Habe ich das Gefühl etwas zum Gelingen des Schulalltags beizutragen und etwas dazuzulernen? Ja,  ich helfe mit den Alltag aller Schüler und Lehrer zu untersützen, muss es aber nicht am Leben erhalten. Vieles, was ich tue,  fängt dort an, wo die Arbeit der Lehrer aufhört. Beziehungsweise erleichtere ich auch die Arbeit der Lehrer. Wie oben ausführlicher ausgeführt, kann ich individueller auf den einzelnen Schüler eingehen und dem Klassenlehrer ein wenig die Betreuung der Klasse durch meine Assistenz erleichtern. Da keine Lehrerstelle für mich eingeplant ist, würde das Projekt auch ohne mich überleben, wenn auch in einem anderen Zustand. Ich glaube,  ich zeige den Schülern, oft auch unbewusst, andere Methoden und Verhaltensweisen, Sprache, Kultur.

 

Andersherum lerne ich auch sehr viel durch die Dinge, die ich mache. Ich lerne weit viel mehr als ich gebe. Ich lerne wie das Schulsystem in Kumasi aufgebaut ist, lerne viel aus der Tätigkeit mit Kindern und lerne viel über Menschen als solches.

 

Ich fragte mich bei der Leitfrage um die Ansprechperson,  wer eigentlich die Ansprechperson ist. Eine offizielle Person haben wir nämlich, glaub ich, nicht. Ich denke letztendlich, dass der Bruder der Schulbesitzerin oder aber auch ein ICT Lehrer diese Stellung hat. Zu mindestens können wir diese beiden immer bei Problemen fragen und normalerweise werden sie dann auch gelöst. Es bleiben also keine Probleme hinsichtlich unserer Arbeit ungelöst. Manche Dinge wie eine Reparatur der Wasserpumpe oder zeitweise die Bezahlung der Stromgebühr dauert manchmal seine Zeit. Aufgrund früher Erfahrungen mit Freiwilligen herrscht hinsichtlich mancher Dinge Misstrauen oder auch Verbote. So ist es uns nicht erlaubt Personen auf das Schulgelände oder unser Zimmer einzuladen. Zudem fühle ich manchmal so als, dass auch das Ausgehen abends nur begrenzt gewünscht ist. Ich hoffe, dass das Misstrauen durch die gute Erfahrung mit uns derzeitigen Freiwilligen ein Stückchen abgebaut wird. Auch schon im Laufe meiner Freiwilligenzeit fühle ich zumindest schon einen kleinen, aber bestehenden Vertrauensgewinn. Mit der,  in unserem Flur lebenden Mistress, die für die Internatsschüler zuständig ist, komme ich sehr gut mit aus.

 

Ich fühle mich wohl in der Gastsituation. Zwar gibt es manche Dinge, wie oben schon genannt, mit den es sich Zeit gelassen wird, was mich anfangs ein bisschen ärgerlich gemacht hat, anderseits werde ich aber vollversorgt und das Essen ist mehr als akzeptabel für Schulessen.

 

Ich habe Freunde gefunden, die in der Nähe der Schule wohnen. Es ist sehr schön neben den Mit-Freiwilligen auch Ghanaer zu kennen,  mit den man reden, manchmal abends etwas zusammen trinken oder auch was zusammen kochen kann. Oft ist es aber schwer tiefe Freundschaften aufzubauen, da man fast immer einen „weißen Status hat“ und so oft gerne als Gönner gesehen wird.

 

Es gab einige Herausforderungen. Ich war beispielweise für eine längere Zeit krank. Ich hatte für eine knappe Woche Durchfall und,  auch eine stärkere Erkältung hatte ich mir eingefangen. In dieser Zeit ist es sehr schön gewesen zu zweit im Projekt zu sein, da es immer einen gibt, der sich ein wenig um einen kümmert. Wenn ich sonst ein Tief habe, weil ich vielleicht ein besonders anstrengender Tag hatte, hilft mir immer ein wenig Sport.

 

Ich sehe immer mehr die Ähnlichkeiten zwischen mir und meiner alten Umgebung und der neuen Umgebung, hinsichtlich der Menschen. Fremde Dinge sind natürlich auch immer vorhanden, gerade wenn ich für mich unbekannte Orte besuche, aber in der gewohnten Umgebung kommen immer mehr Ähnlichkeiten zum Vorschein. Vieles vorher Fremdes ist mir jetzt nicht mehr fremd. Zudem sehe ich die Gesellschaft hier immer differenzierter. Die Studenten in Kumasi sind oft kritisch und nachdenklicher über sonst undiskutierbare Themen wie Religion oder die Stellung von Homosexuellen. Auch für das europäische Essen, das ich in den ersten Monaten noch sehr vermisst habe, habe ich jetzt gar kein wirkliches Verlangen mehr. Es gibt einfach zu viel leckeres ghanaisches Essen.

 

Weltwärtsbericht

Hannes Öhm

Ghana – weltwärts – 2015/2016

John William Montessori School, Kumasi/Tanoso

3-Monatsbericht


Akwaaba!

 

Ich habe versucht, ohne bestimmte Erwartungen in mein Jahr in Ghana zu starten, da ich nur geringe Kenntnisse über das Land besaß und keine detaillierten Vorstellungen hatte, wie mein Projekt in Ghana aussehen sollte. Eine Sache, die mich zuerst verunsicherte, war, dass wir Freiwilligendienst-Leistende in unserem Projekt nicht direkt Aufgaben zugeteilt bekommen haben, sondern frei uns Aufgaben suchen sollten. Mittlerweile sehe ich darin die Freiheit und Möglichkeit, - in begrenzten Rahmen - eigene Projekte auf die Beine zu stellen. Ich finde es sehr positiv, dass es diese Möglichkeit gibt.

In Deutschland hat mir weniger das Inhaltliche der Vorbereitungssemninare, sondern viel mehr das Sprechen über das Jahr im Ausland weitergeholfen und motiviert. Diese Motivation verhalf mir zu einem guten Start in dem für mich neuem Land.

 

Ich hatte zu Beginn des Freiwilligendienstes keine konkreten Vorstellungen, da ich nicht wusste, wie das Projekt im Detail aussieht. Ich hatte aber den Wunsch, einen lebendigen Austausch zwischen mir und der Umgebung zu erreichen. Zudem habe ich mir vorgenommen, meine persönlichen Stärken zu nutzen, um eigene Ideen umzusetzen. Ich habe mich im Projekt sehr gut eingelebt. Auch wenn die Anfangszeit, aufgrund von Ferienzeit, ohne Schüler und Lehrer etwas einsam war, war die Zeit trotzdem gut, um meinen Mitfreiwilligen und die neue Situation besser kennenzulernen ohne gleich von all den Eindrücken zu sehr überfordert zu werden. Natürlich brauchte es auch nach Schulanfang eine gewisse Zeit bis ich eine gewisse Gruppe an Schülern, Lehrern und anderen Angestellten kennengelernt und Kontakte geknüpft habe, aber jetzt fühle ich mich in dem Land und meinem Projekt sehr wohl.

 

Nach einem langen Flug, von Frankfurt über Addis Abeba nach Accra, wurde ich von der Partnerorganisation des ICJA, dem ICYE Ghana, zusammen mit 14 anderen deutschen Freiwilligen, abgeholt und zu einem Hostel gebracht. Hier fand das sogenannte Arrivalcamp mit drei weiteren Freiwilligen, nämlich zwei Finninnen und einer US- Amerikanerin, statt. Das Programm teilte sich in verschiedene Themen auf: Visumsangelegenheiten und Offizielles, Kultur und Geschichte Ghanas und einen Twi-Sprachkurs. Nach dem Arrivalcamp bin ich mit einem Mitfreiwilligen in Tanoso Kumasi in der John William Montessori School angekommen, in der ich mein Freiwilligen-Jahr verbringe. In diesem Moment wurde mir eine Tür zu einer „anderen Welt“ geöffnet. Dies war mir in diesem Moment noch nicht so klar, wie es mir jetzt ist.

 

Ich bin in meinem Projekt für die Bibliothek der Schule zuständig. Das bedeutet, dass ich versuche, die Kinder zum Lesen zu motivieren. Jedes der Kinder soll mindestens zwei Bücher pro Monat in der Bibliothekstunde lesen. Diese Aufgabe stellt sich als gar nicht so leicht da, weil die Kinder wenig mit Nicht-Schulbüchern in Kontakt kommen. Oft erkennen sie den Wert und die Freude an der Lektüre erst, wenn man sie dazu wiederholt ermuntert. Man muss gleichzeitig zwischen den jüngeren Schülern und den älteren Schülern unterscheiden. Mit den älteren zu arbeiten ist meist deutlich einfacher, weil sie schon einen stärkeren Bezug zu Büchern haben. Als Freiwilligendienstler spiele ich eine Sonderrolle: Ich bin selber noch vergleichsweise jung und habe im Besonderen mit den Internatsschülern sehr viel zu tun, somit verstehe ich mich gut mit den Schülern, muss aber trotzdem Strenge zeigen können, wenn es geboten ist. Zum Glück ist hier das Schlagen der Schüler keine gängige Disziplinierungsmaßnahme, an anderen Schulen ist dies aber die Regel.

 

Es ist zudem meine Aufgabe eine Brieffreundschaft zu begleiten, die zwischen der 6b in Kumasi und der 7a in Soest besteht. Um die Initiierung dieses kleinen, aber sehr schönen Projektes, kümmerte sich der ehemalige Freiwilligendienstler Joel Wagner im Laufe des vergangenen Jahres. Um die Finanzierung kümmert sich die Schülerfirma seiner ehemaligen Schule in Soest. Dieses Projekt ermöglicht Schülern in beiden Ländern interkulturelle Erfahrungen. Es freut mich, das Projekt fortführen zu können und damit einen tiefer-gehenden, nachhaltigen Austausch zu ermöglichen. Möglicherweise lässt sich auch einen Kontakt der Kinder über Facebook oder E-Mail herstellen, was mich besonders erfreuen würde, da mancher Kontakt auf diesem Wege vielleicht langfristig erhalten werden kann.

Seit kurzem helfe ich neben den Bibliotheksstunden, die ich habe, auch einem Schüler aus der ersten Klasse schreiben zu lernen. Zudem helfe ich einer Schülerin, die Probleme mit der Rechtschreibung und Konzentration hat. Mir gefällt es sehr, mit den Schülern zu arbeiten, da ohne mich eine Einzel-Förderung der Schüler nicht möglich wäre. Es wird mir dadurch klar, dass ich im Kleinen etwas bewirken kann und, dass man für viele Veränderungen und Erfolge Geduld haben muss.

 

Meine Wohnsituation stellt sich ganz gut da. Ich wohne mit in der Schule. Mein Zimmer hat eine angenehme Größe. Ein zweiter Freiwilligendienstler, Friedemann, wohnt in dem Zimmer direkt neben mir. Wie haben gemeinsame Waschmöglichkeiten. Ich kann nur kalt duschen, das ist bei den warmen Temperaturen aber ganz angenehm. Wir werden von den Schulköchinnen bekocht. Es wird dabei immer sehr darauf geachtet, dass wir das Essen auf unsere Zimmer gebracht bekommen.

Ich lerne aber auch Strom und Wasserausfälle als Teil des Alltags kennen. An die Stromausfälle habe ich mich mittlerweile gewöhnt und kann diese deshalb gut verkraften. Mit Taschenlampe und Laptop-Akku muss ich aber auf nichts verzichten. Die Stromausfälle halten sich auch in Grenzen, weil die Schule einen Generator besitzt, der zwar auch nicht immer funktioniert, aber die Stromausfälle etwas begrenzt und mir Zeit lässt, meine Akkus aufzuladen. Es gibt auch „Wasserausfälle“. Damit meine ich, dass es kein fließendes Wasser gibt. Das heißt allerdings nicht, dass man sich nicht damit arrangieren kann. Man lernt relativ schnell damit auszukommen: Eine Eimerdusche funktioniert einwandfrei. Zusätzlich bemerkt man, wie viel Wasser man jeden Tag verbraucht. Ich musste auch schon mit einem „Wasserausfall“ von mehr als zwei Wochen auskommen. Ungemütlich wird es erst dann, wenn die Tanks leer werden, weil sie aufgrund fehlenden Stroms nicht mehr aufgefüllt werden. Die Besitzerin der Schule möchte immer, dass wir Freiwilligendienstler, als Europäer, extra behandelt werden. So werde uns das Essen zum Zimmer gebracht, die Wäsche gewaschen und das Geschirr gespült, obwohl wir das gar nicht wollen. Wir haben dies anfangs auch ändern wollen, aber die Besitzerin der Schule besteht darauf. Unsere Wäsche waschen wir trotzdem meist selbst.

 

Eine sehr große Umstellung für mich war das Essen. Ich mag zwar das ghanaische Essen, aber gleichzeitig vermisse ich viele Lebensmittel, die ich aus Deutschland kenne, wie beispielsweise Müsli, Vollkornbrot mit Aufstrichen, Käse oder frische Milch. Im ersten Augenblick könnte man denken, dass es sehr viele Früchte zu den Hauptmahlzeiten geben müsste, wo es doch so viele Südfrüchte in Ghana gibt. Aber das Gegenteil ist der Fall: Ich und Friedemann, mein Mitfreiwilliger, nehmen zwar gerne und regelmäßig Obst zu uns, aber dies kaufen wir uns als Zwischenmahlzeit selbst auf dem Markt. Ich mag am liebsten Ananas, die hier um einiges besser schmeckt als in Deutschland. Sonst bekommt man vor allem Bananen, Erdnüsse und Mangos. Leider ist die Mango-Saison aber schon kurz nach meiner Ankunft in Ghana vorbei gewesen. Ich bekam nur während des Arrival Camps in Accra noch Mangos. Das Frühstück ist in Ghana um einiges karger als das Frühstück, das ich aus Deutschland gewöhnt war. Es gibt oft Reisbrei, Ghanadonuts (Frittierte süße Brötchen) und zum Trinken Kakao, manchmal jedoch auch nur trockenes Weißbrot mit Kakao. Zum Mittag- bzw. Abendessen bekommen wir meist scharfe und zum Teil auch fettige Speisen: Fast immer gibt es Reis oder Banku. Banku ist eine Art Maisteig, den man meist in Soße taucht. Es gibt auch Yam, das eine Wurzel, die ein wenig von der Konsistenz und Geschmack an Kartoffeln erinnert, Bohnen, frittierte Kochbananen, Reisbällchen mit Erdnusssoße und manchmal Hühnchen…. Seltener gibt es auch Spagetti, wobei diese eher den Instantnudeln ähneln. Bei den Soßen, die es zu den Speisen gibt, handelt es sich um meist Tomaten- oder Fischsoßen.

 

Wenn man von einem Aussichtspunkt auf Kumasi schaut, wirkt sie sehr grün. Es gibt einige Brachflächen und Flächen auf denen Bananen, Papaya und Kokosnusspalmen angebaut werden. Es gibt auch kleine Bäche, die durch Kumasi führen. Überall auf den Straßen und den Mauern der Häuser kann man Eidechsen entdecken. Man könnte jetzt die Vorstellung von einer Kleinstadt haben, die mitten in schöner Natur liegt. Wenn man jedoch näher schaut und sich in Richtung Stadtzentrum begibt, dann verändert sich dieses Bild rasch: Man findet nicht nur Eidechsen und Kokosnusspalmen neben den Straßen und Häusern, sondern überall auch viel Müll. Es gibt nicht nur sehr viele Plastiktüten, mit denen alles eingepackt wird, sondern auch die hier viel genutzten 500ml Wassertrinkbeutel aus Plastik. Der Müll landet auf den Straßen und Brachflächen, da die Infrastruktur zur Entsorgung fehlt. Oder er verpufft zu schwarzem, beißenden Rauch: Jeden Tag wird der Hausmüll auf Straßen verbrannt. 

 

Die kleinen Bäche in der Stadt laden nicht zum Verweilen oder gar zum Baden ein, sondern machen mich sehr traurig: Ihr Wasser ist oftmals grauschwarz und das Ufer vom Müll gesäumt. Gleichzeitig ist es wie ein kleines Wunder zu sehen, dass um diese Bäche herum noch viele Pflanzen und Tiere leben können. Immer wieder entdecke ich dort faszinierende und beeindruckende Schmetterlinge, Libellen und Pflanzen. Dieses Wunder der Anpassungsfähigkeit der Natur und der Schönheit der Natur inmitten des Mülls lässt in mir die Hoffnung aufkeimen, dass sich das Land und die Natur regenerieren können und auf diese Weise die wichtigen Ressourcen nachhaltig für die kommenden Generationen erhalten werden können.

 

Ich verbringe in letzter Zeit neben dem Projekt einige freie Stunden in den Orten in der Stadt, die etwas Natur bieten, um die hiesigen Pflanzen und Tiere besser kennenzulernen. Ich habe eine Lieblingsstelle, die zwar im Nachbarviertel (Apatrapa) liegt, aber nicht weit von hier ist. Es handelt sich um eine Brachfläche zwischen mehreren Häusern mit einem kleinen Bächlein. Ich finde hier Insekten und andere Wirbellose nahezu aller Ordnungen. Ich kann nur vergleichsweise wenige Insekten oder Pflanzen systematisch auf die Familie oder Gattung einordnen. Wenn mir dies gelingt, handelt es sich bei den Organismen meist um nahe Verwandte der europäischen Arten. Es gibt hier beispielsweise auch einige Eulen, Spanner (beides Schmetterlingsfamilien) und Schwebfliegen, die leicht als solche zu erkennen sind. So darf man nicht durch ein Bild der Tropen geblendet werden, dass nur kuriose, große und bunte Arten zeigt, sondern sollte sich bewusst sein, dass es neben den „großartigen, extravaganten“ Tieren und Pflanzen auch viele Organismen gibt, die den europäischen sehr ähnlich sind.

Wenn ich anfangs durch die Straßen Ghanas lief, fühlte es sich zuerst sehr merkwürdig an: Ich kann nicht einfach in die Menschenmasse eintauchen, wie ich es aus europäischen Städten kenne. Warum? Weil ich hellhäutig bin und somit klar heraussteche. So kann ich nicht durch die Straßen gehen ohne mit einem „How are you?“, „ϵtϵ sϵn?“ begrüßt zu werden. Oft rufen mir auch Kinder "obroni" (dies bedeutet "Weißer" auf Twi) hinterher. Langsam aber sicher kennen mich einige Kinder und Jugendliche aus den Straßen, die ich oft begehe. Ich habe schon mit vielen geredet und so gibt es auch einige, die mich Hannes rufen. Insgesamt gibt es schon mehrere Personen mit denen ich (bzw. oft auch zusammen mit Friedemann) mich öfter unterhalte und auch kleine Dinge unternehme. Ansonsten wird viel auf der Straße gespielt. Die Jugendlichen spielen oft „Spa“, ein ghanaisches Kartenspiel, oder Fußball. Fußball ist der Lieblingssport Nummer eins. Manch ein junger Ghanaer träumt davon, ein guter Fußballer zu werden. Am besten bei dem Verein Bayern München. Sie fragen mich auch gleich, ob ich die berühmten deutschen Fußballer kenne, und zählen Fußballer auf. Schon oft habe ich mit ein paar Ghanaern zusammen Fußball gespielt. Ich habe aber auch Jugendliche beim Fischen beobachtet und bekam zum Beispiel den hier heimischen Tilapi-Fisch zu sehen. Geangelt wird der Fisch mit Leine und Angelhaken. Regenwürmer dienen als Köder.

 

Neben Ausflügen durch mein Viertel Tanoso, bzw. dem Nachbarviertel Apatrapa, machen ich und Friedemann hin und wieder Ausflüge in das Zentrum Kumasis und auf den Kumasi Central Market, wo es so gut wie alles zu kaufen gibt und wo auch ein Postamt ist. Das Postamt handelt sich um ein Gebäudekomplex mit einem kleinen Laden und wahnsinnig vielen Postfächern, da die Einwohner Ghanas, soweit ich weiß, keine Briefkästen an ihren Häusern besitzen, sondern es, für jeden der möchte, nur zentrale Postfächer gibt.

Wichtige Fortbewegungsmittel sind in Kumasi die Trotros: Dies sind Kleinbusse, die einen in eine Richtung mitnehmen, und einen überall auf der Strecke herauslassen können. Es ist sehr preiswert damit zu fahren. Ein Trotro verfügt über ein Trotrofahrer, der meiner Meinung sehr gute Fahrerfahrung haben muss, um durch den Verkehr Ghanas zu kommen. Zusätzlich verfügt es aber auch meist über einen Mann, der aus dem Fenster die zu fahrende Richtung ruft und dem Fahrer per Klopfsignal deutlich macht, wenn er rechts ranfahren soll, um einen Fahrgast rauszulassen oder aufzunehmen.

 

Für die nächsten Monate habe ich mir verschiedene Ziele gesetzt. Ich möchte neben meiner Betätigung in der Schulbibliothek und der Unterstützung von Schülern noch mehr das Potential nutzen, das mir die Schule bietet: Im Vergleich zu anderen Schulen, gibt es einen wahren Luxus, da meine Schule über eine Bibliothek, ein Klavier und Trompeten und einen Computerraum mit Internet verfügt. Zudem würde ich gerne vermehrt mein Potenzial in Richtung Umwelt- und Naturschutz zu nutzen. Dazu ist es zunächst förderlich mehr über die Natur und Umwelt Ghanas zu wissen. Ich habe bereits damit begonnen, mich über SODIS, ein Projekt mit dem man Wasser durch Sonneneinstrahlung trinkbar macht, zu informieren. Im Selbststudium in der Stadtbibliothek und im Freiland versuche ich die Flora und Fauna Kumasis kennenzulernen. Dies stellt sich manchmal ein bisschen schwieriger da, als gedacht, da ich in der Nähe meines Viertels noch keine Buchhandlung gefunden habe. Ich versuche meine Kenntnisse in Natur- und Umweltschutz im Rahmen des Projektes an die Schüler und Schülerinnen weiterzugeben.

 

 

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