Ein Gastbeitrag von meinem Bruder Gerrit

 

Libellenbestimmung für Fortgeschrittene

 

Weil mein Bruder und ich beide naturkundlich interessiert sind, bekomme ich nicht nur Berichte und Fotos von den besonders exotischen-aussehenden Arten, sondern auch von vielen Pflanzen und Tieren, deren Ähnlichkeit zu den europäischen recht groß scheint. Diesmal möchte ich den Prozess meiner „Bestimmungs-Nachforschungen“ einer dieser Arten vorstellen. Auf in einen Libellen-Ausflug!

 

Grobes Einordnen, die Heidelibellen

 

Bei dem Tier, das ich vorstellen möchte, handelt es sich um einen Vertreter der artenreichsten Tiergruppe, also um ein Insekt. Für mich ist es eine besondere Herausforderung, tropische Insekten systematisch etwas einzuordnen oder sogar zu bestimmen. Als von meinem Bruder allerdings ein paar Fotos einer bestimmten Libelle geschickt bekam, schien mir diese gar nicht so unbekannt. Zwar hatte ich diese Art noch nicht gesehen, aber sie erinnerte mich stark an eine Gruppe von Libellen, die ich hier in Europa schon des öfteren beobachtet habe:

 

Die Heidelibellen (Gattung: Sympetrum)

 

Heidelibelle (Sympetrum sp.) Foto: Gerrit Öhm

In Mitteleuropa gibt es neun Arten von Heidelibellen, allerdings ist die Gattung der Heidelibellen mit weiteren Arten fast weltweit vertreten. Nicht zu finden sind die Heidelibellen unter anderem in Australien, Neuguinea und Tasmanien. Die Libellen sind meist braun-orange oder rot gefärbt und brauchen stehendes Wasser, gerne auch mit vielen krautigen Pflanzen am Gewässer-Ufer. Nur zu schattig sollte das Gewässer nicht sein. Langsam fließendes Wasser in Gräben ist ebenfalls ein Ort, wo Heidelibellen gefunden werden können.

 

Oft gibt es bei den heimischen Heidelibellen einen Geschlechtsdimorphismus. Das bedeutet, dass männliche und weibliche Tiere unterschiedlich aussehen. So sind bei vielen Vertretern der Gattung Sympetrum die Weibchen eher braun-orange und die Männchen rot gefärbt. Männchen und Weibchen fliegen bei der Paarung und der Eiablage zusammen. Wenn ein Vogel, oder jemand anders, der gerne Libellen als kleine Zwischenmahlzeit hätte, die fliegenden Libellen entdeckt, fällt das Männchen stärker auf als das Weibchen und lenkt den Fraßfeind mit seiner auffallend roten Farbe ab.

Eine Bestimmungshilfe für die heimischen Heidelibellen gibt es auf der Webseite „Libellenwissen“ http://www.libellenwissen.de/artenbestimmung-gattung-sympetrum-heidelibellen

Von Hannes bekam ich also ein Foto einer Libelle, die mich deutlich an die Heidelibellen denken ließ. Nun versuchte ich herauszufinden, ob und mit welchen Arten die Heidelibellen in Ghana vertreten sind.

 

 

Zurück nach Ghana

 

Da Heidelibellen, wie bereits erwähnt, fast weltweit vertreten sind, kommen auch in Afrika viele Arten dieser vor. Nach langer Recherche bei der ich versuchte, einen Überblick über die Anzahl der Arten der Heidelibellen Ghanas, aber auch ähnlich aussehender Arten zu bekommen, fühlte ich mich erst einmal in meiner anfänglichen Vermutung bestätigt. Flügeladerung, Färbung der Beine, Merkmale and Kopf und Thorax... aber irgendwas passte doch nicht (Der Thorax ist der Rumpfteil eines Insektes, an dem Beine und Flügel ansetzen. Weitere Fachbegriffe, die ich später nutze, habe ich in einer Skizze dargestellt).

 

Fast geschafft! Oder doch nicht?

 

Meine Libelle schien zwar sehr wie eine typische Heidelibelle auszusehen und der Fundort wurde den ökologischen Ansprüchen gerecht, doch irgendwas hatte ich übersehen. Meine Übung beim Bestimmen baut auf die Arten auf, die ich aus Mitteleuropa kenne und in Afrika kommen viele Gattungen vor, die es hier in Deutschland und angrenzenden Ländern nicht gibt.

 

Die Flügel! Das ich nicht sofort darauf gekommen bin...

Die leuchtend rote Flügeladerung der Libelle schien mir fast entgangen zu sein! Außerdem hatte ich mir die Flügeladerung nicht genau genug angesehen. Für eine Heidelibelle befinden sich viel zu viele Queradern am vorderen Teil der Flügel!

Die sogenannten „Antenodal-Queradern“ befinden sich an der Flügelvorderkante zwischen Basis und Nodus (Siehe Skizze). Sympetrum hat aber nur bis 6 dieser Antenodal-Queradern, bei Trithemis sind es deutlich mehr!

Sonnenzeiger werden die Libellen dieser Gattung auf deutsch genannt – weil sie ihren Körper meist mit dem Hinterleib zur Sonne richten. Im Englischen ist der Name Dropwing, da die meisten Arten ihre Flügel nach vorne und unten richten, wenn sie sitzen – was auch auf dem Foto meines Bruders gut zu erkennen ist. Gerade diese Haltung der Libelle war es, die die roten Adern auf dem Foto etwas versteckte... Diese roten Adern sind typisch für den Rotader-Sonnenzeiger oder Red-veined dropwing (Trithemis arteriosa) – eine der häufigsten Libellen Afrikas! Letzteren Fakt habe ich aber (leider) erst bei meiner Recherche der Art gelernt – sonst wäre ich vielleicht schneller auf die Art gekommen. Allerdings habe ich nun die Unterscheidung dieser beiden Gattungen gelernt, was gar nicht so schlecht ist: Die Art breitet sich in den letzten Jahren -vermutlich aufgrund des Klimawandels - immer weiter nach Süd-Europa aus und weitere Trithemis-Arten kommen im südöstlichen Europa vor. Nach der Europäischen Roten Liste der Libellen bildet T. arteriosa in Europa allerdings noch keine stabilen Populationen.

 

Hätte ich die Libelle schon alleine an den auffälligen roten Adern erkennen können? Nicht unbedingt. In ähnlichen Lebensräumen kommt auch eine Heidelibelle mit roten Adern vor: die Rot-Ader Heidelibelle bzw. Red-veined darter (Sympetrum fonscolombii).

 

Ich bin Blogger auf der Website zur UN Dekade Biologische Vielfalt:

http://www.undekade-biologischevielfalt.de/

 

 

Steckbrief von Trithemis arteriosa auf der Seite der Internationalen Roten Liste bedrohter Tierarten

http://www.iucnredlist.org/details/summary/60053/0

 

Europäische Rote Liste der Libellen http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/redlist/downloads/European_dragonflies.pdf.

 

Der Rotader-Sonnenzeiger (Trithemis arteriosa)

(Foto: Hannes Öhm)

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